Heimat im Picknickkorb | Hessen-Pionier Hans Hess

Steckbrief

Wenn ich Menschen hierher einlade – und sage: Hier könnt ihr Spessart erleben, dann muss ich auch Spessart anbieten. Da steckt regionale Identität drin – und genau die wollen wir stärken, indem wir Einwohnern und Touristen das gesamte Portfolio der Region präsentieren.“

Ein|Laden im Spessart

Südmährer Weg 3
63637 Jossgrund
Telefon: +49 (0) 6059 / 6519742

info@einladenimspessart.de

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Ich bin Diplom-Designer, habe vor meinem Studium lange in der Gastronomie gearbeitet und war zuletzt Betriebsleiter in einem Unternehmen mit 50 Mitarbeitenden in Hanau. Heute betreibe ich den Ein I Laden, einen kleinen Dorfladen im 800-Einwohner-Dorf Lettgenbrunn, mein Lebenstraum.

Weg vom Basis-Sortiment, hin zu regionalen Produkten

Als im Dorf der letzte Nahversorger, ein Backshop eines Bäckers aus dem Nachbardorf, weggefallen ist, wurde die Gemeinde aktiv. Sie fand schließlich einen Betreiber, der im ehemaligen Backshop einen kleinen Supermarkt mit internationalen Produkten eröffnete. Doch nach einem Jahr wollte der Betreiber nicht mehr – und so kam ich ins Spiel. Für mich war klar, dass ich das Konzept komplett umkrempeln will – weg von den No-Name-Sachen aus aller Welt, hin zu regionalen Produkten aus dem Spessart. Vom Frühstück über die Wegzehrung für Wanderer bis hin zum abendlichen Grillfest – die Produkte für den Regiomaten und die Regionalecke sollten alle von hier kommen.

Wie bekommt man die Kunden von außerhalb?

Einen kleinen Dorfladen wirtschaftlich so aufzustellen, dass man eine Familie damit ernähren und sich eine Rente sichern kann, ist eine große unternehmerische Herausforderung. Wir sind nicht auf der Frankfurter Zeil, wo täglich ohnehin 3000 Menschen in den Laden kommen. Hier kommen vielleicht 30 vorbei. Also muss man von Anfang an überlegen, wie man die Menschen von außerhalb begeistern kann. Das funktioniert nur über die Produkte, die so gut und regional sein müssen, dass die Kunden extra herkommen. Wenn ich Menschen hierher einlade – und sage: Hier könnt ihr Spessart erleben, dann muss ich auch Spessart anbieten. Die Produkte, die es bei uns zu kaufen sind, zeigen auch, was hier in der Region passiert. Es gibt innovative, junge Getränkehersteller, Landwirte, Bäcker, die in siebter Generation handwerklich Backwaren aus regionalen Rohstoffen herstellen. Da steckt regionale Identität drin – und genau die wollen wir stärken, indem wir Einwohnern und Touristen das gesamte Portfolio der Region präsentieren.

Nachhaltige Angebote für Touristen und Tagesgäste

Seit kurzem gibt es eine Kooperation mit dem Bergdorf Spessart, einem modernen Feriendorf im Nachbarort. Die Gäste können bei der Buchung regionale Produkte über den Online-Shop bestellen, beispielsweise Milch für das Frühstück oder Grillgut fürs Abendessen. Wir liefern sie dann. Während des ersten Lockdowns der Corona-Pandemie habe ich einen Picknickkorb entwickelt, eine Wegzehrung für Spaziergänger und Wanderer. Die Gäste bekommen Essen in Edelstahl-Brotboxen, wiederverwertbare Gläser, goldene Messer und Gabeln und feine Produkte aus dem Spessart. Als Designer sehe ich die Nachhaltigkeit als Dreieck mit drei Aspekten: Ökologie, Sozio-Kulturelles und Wirtschaftlichkeit. Was nutzt uns ein gutes Konzept wie der Picknickkorb, wenn dafür dann der Müll in der Landschaft landet – und unsere Natur zerstört? Das wäre der wichtigste Aspekt – die Ökologie. Dann aber auch die Frage nach der regionalen und lokalen Identität: Was macht den Spessart aus und wie können wir ihn sozial und kulturell erhalten? Und nicht zuletzt: die Wirtschaftlichkeit. Denn am Ende geht es auch immer um Löhne, Rente, Lebensunterhalt.

Schwierige Logistik auf dem Land

Eine der größten Herausforderungen auf dem Land ist die Logistik. Wir müssen gut planen, wie die Produkte von A nach B kommen – und wie das dann noch wirtschaftlich und ökologisch bleibt. Einmal in der Woche fahre ich eine große Tour, sammle die Produkte bei etwa 15 Erzeugern ein, liefere gleichzeitig auch aus. Außerdem nutze ich logistische Knotenpunkte in der Region, auch der Ein I Laden ist einer. Es gibt einen Milchbetrieb hier und für den nehme ich jetzt auch Produkte mit auf Tour, denn aufgrund der steigenden Benzin- und Energiepreise müssen wir noch mehr zusammenhalten. Es gibt zum Beispiel auch verschiedene Ziegenbauern in der Region, die sich regelmäßig an einer Tankstelle in der Mitte ihrer Höfe treffen, um gegenseitig ihre Produkte auszutauschen. Wenn man kooperiert, profitiert man gegenseitig. Wir versuchen gerade auch weitere Erzeuger zu finden, besonders Gemüsebauern für eine regionale Saisonkiste. Ich probiere viel aus. So habe ich zum Beispiel auch mal ein E-Lastenrad getestet, mit dem ich dann Waren vom Metzger geholt habe.

In Social Media stehen die Produkte im Vordergrund

Beim Marketing setze ich vor allem auf Social Media, denn in den sozialen Netzwerken erreiche ich mit wenig Aufwand und Mitteln genau die Zielgruppe, die interessant für uns ist. Im Mittelpunkt stehen immer die Produkte, nicht das Unternehmen Ein I Laden. Die Geschichte der Produkte zu erzählen – wo kommen sie her, wie werden sie hergestellt – das ist Storytelling. Genau das funktioniert und bringt mehr Kunden.

Die Selbstständigkeit als Lebensentscheidung

Einfach machen! Das empfehle ich künftigen Pionierinnen und Pionieren. Es nutzt nichts, Projekte zu zerreden. Ein Unternehmen ist erstmal immer ein finanzielles Risiko. Wer sich auf dem Land selbstständig macht, trifft eine echte Lebensentscheidung. Für mich ist sie genau richtig. Ich verbringe viel mehr Zeit mit meinen Kindern. Die langen Fahrten zur Arbeit fallen weg, die Rahmenbedingungen sind völlig andere. Ich bin direkt im Ort tätig, lerne viele Menschen kennen, habe viel Freiheit. Das wiegt auch anstrengende Momente wieder auf.

Tipps des Hessen-Pioniers Hans Hess:

  • Einfach machen! Es nutzt nichts, Projekte zu zerreden.
  • Eine der größten Herausforderungen auf dem Land ist die Logistik. Plant gut, wie die Produkte von A nach B kommen – und wie das dann noch wirtschaftlich und ökologisch bleibt.
  • Viel ausprobieren!
 
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