Unsere kleine Gemeinde Löhnberg im Lahntal hat einen wunderschönen Ort, von dem aus man einen atemberaubenden Blick in das komplette Löhnberger-Becken bis fast nach Wetzlar hat und die Ausläufer des Taunus und des Westerwalds sieht. Bei Sonnenaufgang entdeckt man hier sogar den ein oder anderen Schwarzstorch oder andere seltene Tiere. Dieser Ort ist so schön, dass wir ihn zum Aussichtspunkt aufwerten wollten. Mit Unterstützung von Leader-Förderungen konnten wir einen architektonisch spannenden Aussichtsturm bauen, dazu noch einen Grillplatz für Familienwanderungen mit Lagerfeuer. Hier kommen auch viele Radfahrer vorbei, da der Lahntal-Radweg und der Westerwald-Radweg genau in der Achse liegen. Mittlerweile ist der Aussichtspunkt Löhnberg eines der beliebtesten Foto-Motive – auch für Touristen. Aber was noch viel wichtiger ist: Wir haben hier einen Ort geschaffen, der von Touristen und Einheimischen gleichermaßen angenommen wird, weil er für beide einen Mehrwert bietet.
Regionale Anbieter und Vereine sowie Verbände sind ein Pfeiler der touristischen Arbeit
Grundsätzlich prüfen wir alle Investitionen in touristische Infrastruktur darauf, ob sie auch für unsere Bürger alltagstauglich und wichtig sind. Dabei haben wir auch die Familien im Blick. Wenn wir beispielsweise in unsere Wander- und Radwege investieren, dann ist das natürlich auch eine Investition in unsere familienfreundliche Gemeinde. Auch unser Tipi-Dorf, der Minigolfplatz, die eigenen Mineralbrunnen und das Fossilienfeld, bei dem 393 Millionen alte Fossilien gefunden werden können, und das Wassermuseum werden nicht nur von Touristen gerne genutzt, sondern auch von unseren Bürgern.
Ein Pfeiler unserer touristischen Arbeit sind auch unsere Vereine und Verbände, die beispielsweise Wandertouren oder Kurse für Kinder anbieten, die gerne von unseren Gästen angenommen werden.
Ein beliebtes Event ist unser monatlicher Markt, auf dem Landwirte, Imker, Brauer und viele mehr ihre regionalen Produkte verkaufen. Das lockt auch viele Menschen von außerhalb an und es herrscht ein buntes, munteres Treiben im Ort. Während des Lockdowns wurden die Produkte auch online angeboten, um die Erzeuger und Lieferanten zu unterstützen. Außerdem bieten wir an allen Plätzen öffentliches W-Lan, was die wenigsten von einer kleinen Gemeinde wie unserer erwarten.
Es ist wichtig, den Bürgerinnen und Bürgern zuzuhören und sich mit ihnen auszutauschen
Natürlich weiß ich, dass ein Aussichtspunkt, kostenloses W-Lan oder ein Bauernmarkt allein keine Touristen anlocken. Das sind alles einzelne Mosaiksteine, die sich zu einem Gesamtbild ergeben und in der Summe dann Menschen dazu bewegen, uns einen Besuch abzustatten. Meistens, weil sie in der Nähe Verwandtschaft haben und jemanden besuchen wollen. Oder weil Familien, denen wir hier etwas bieten, zu Multiplikatoren werden, die anderen sagen: Mach doch mal Urlaub in Löhnberg. Der Tourismus hat hier vor allem den Einwohnern zu danken, da sie besonders gute Werbung machen, auch innerhalb der eigenen Familien. Außerdem gibt es hier das größte Landhotel in der Region, das ebenfalls viele Gäste anzieht.
Für mich geht es bei Aufbau von touristischer Infrastruktur nicht in erster Linie um die Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Steigerung der Übernachtungszahlen. Es geht mir darum, die Bürgerinnen und Bürger meiner Gemeinde einzubeziehen – auch die kritischen. Nicht jede Bürgerin und jeder Bürger lässt sich für jedes Projekt begeistern. Da ist es wichtig, zuzuhören, die Kritik ernst zu nehmen, in einen Austausch zu gehen. Viele Löhnbergerinnen und Löhnberger haben aber auch großartige Ideen und Vorschläge und lassen sich für touristische Projekte begeistern. Wäre diese Potenzial hier nicht vorhanden gewesen, hätte ich überhaupt keine Chance. Daher lautet mein Tipp an alle Bürgermeister, die touristisch etwas in ihrer Gemeinde bewegen wollen: Hört auf eure Bürgerinnen und Bürger! Und macht die Attraktionen auch für sie. Wir machen die touristischen Angebote für alle – und alle helfen mit: Vereine, Verbände, Bürger. Uns ist es wichtig, Dinge zu schaffen, die von allen gerne genutzt werden und deshalb verlangen wir nicht für alles eine Eintrittskarte. Klar ist dabei auch finanzielle Unterstützung von außen nötig, denn mit dem wenigen Geld, was unsere Gemeinde zur Verfügung hat, lassen sich die Ideen kaum verwirklichen.
Das Erfolgsrezept ist die gute Dorfgemeinschaft
Unser Erfolgskonzept? Das ist unsere intakte Dorfgemeinschaft. Wenn die Löhnbergerinnen und Löhnberger mitmachen, wird jedes Projekt zum Erfolg. Und es wird dann auch gepflegt. Nehmen wir zum Beispiel den Aussichtspunkt. Dieser Ort ist völlig frei von Vandalismus, denn er wird gut angenommen, akzeptiert und beschützt von allen. Wir tragen für unseren Ort Sorge – und genau das spüren auch unsere Touristen. Denn für sie ist es auch viel schöner, einen Ort zu besuchen, der lebt, in dem was los ist, der authentisch ist. Wenn eine Gemeinde sich das Leben schön macht, in der Natur, mit großartigen Ausflugszielen oder Rad- und Wanderwegen für die eigene Bevölkerung, dann kommt der Tourismus ganz von allein. Denn was bringen uns einsame touristische Hot-Spots, wenn die Dorfgemeinschaft nichts davon hat?