Von der Weide zum Wanderführer | Hessen-Pionier Bernd Keller

Bernd Keller

„Wir strukturieren unsere Nebenerwerbs-Schäferei um. Jetzt bieten wir Erlebniswanderungen im Odenwald an und geben unseren Gästen damit einen Einblick in die regionale Natur und Landwirtschaft.“

Erlebniswanderungen Odenwald
Schäferei Bernd und Christel Keller

Am Eckertsberg 11
64720 Michelstadt-Rehbach

Tel. 0151 20203492



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Ich bin seit 25 Jahren Schäfer im Nebenerwerb. Ursprünglich hatten wir mal eine größere Schäferei, aber momentan sind wir dabei, den Betrieb umzustrukturieren, weil es keine Unternehmensnachfolge gibt. Das bedeutet: Wir gehen weg von der reinen Schafhaltung und geben den Gästen einen Einblick in die Natur und die regionale Landwirtschaft. Das machen wir mit unseren Schwarzkopfschafen, unseren Jura-Schafen und unseren Ouessantschafen, den sogenannten Mini-Schafen. Außerdem haben wir sechs Esel, darunter ein kleines Fohlen. Unter dem Namen ‚Schafe, Esel & määhr‘ bieten wir Erlebniswanderungen mit den Tieren durch unseren schönen südhessischen Odenwald an.

Sensibilisieren für regionale Landwirtschaft und Versorgungsstrukturen

Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem wir uns etwas Neues einfallen lassen mussten. Wir werden älter, die Arbeit in der Schäferei wurde zunehmend belastender. Also beschlossen wir, umzusatteln. Das Thema Erlebniswandern war nicht ganz neu für uns, da wir bereits seit vielen Jahren mit dem Geonaturpark Bergstraße Odenwald zusammenarbeiten und in der Veranstaltungsreihe ‚Über Feld und Flur‘ zwei Wanderungen anbieten. Einmal im Frühjahr zum Schafstall mit einer Schafshow, in der man live erleben kann, wie Schafe geschoren werden. Und einmal im Winter eine Wanderung von der Weide in den Stall, wo die Schafe dann ihre Lämmer bekommen. Bei diesen Wanderungen erhalten die Gäste viele Infos zur Schafhaltung – und einen Einblick in die Schäferei. Es ist wichtig, die Menschen für die regionale Landwirtschaft und die Versorgungsstrukturen zu sensibilisieren – gerade jetzt, wo es mit dem Ukraine-Krieg und der Corona-Pandemie so viele große Krisen und Engpässe gibt. Besonders für die Kinder ist es wichtig, einen guten Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen zu lernen.

Von und mit Tieren lernen

So kamen wir auf die Idee, Eselwanderungen anzubieten. Denn Esel sind Tiere, zu denen man schnell Vertrauen bekommt – sofern man selbst offen und ehrlich ist. Wir bieten verschiedene Themenwanderungen an: Märchenwanderungen, bei denen wir im Wald eine Märchenfee oder Elfe antreffen, Muttertags-Wanderungen, Kindergeburtstage. Da können die Kinder dann einen Eselführerschein machen und lernen, wie man die Tiere durch einen Parcours führt. Auch unsere Hunde spielen bei der Arbeit mit Kindern eine besondere Rolle, denn sie geben den Kindern eine gewisse Nähe und Vertrauen. Wir haben uns der Initiative ‚Bauernhof als Klassenzimmer‘ angeschlossen und unsere Mitarbeiterin lässt sich gerade in Erlebnispädagogik ausbilden. Das Thema Inklusion liegt uns ebenfalls sehr am Herzen, denn für gehandicapte Menschen ist der Umgang mit Tieren nochmal etwas sehr Besonderes. Die Tiere spüren die Persönlichkeit der Menschen.

Der gesamte Kreislauf soll abgebildet werden

Demnächst bieten wir auch Yoga mit Eseln an. Außerdem wollen wir künftig noch stärker auf die Biodiversität eingehen, die hier noch gegeben ist. Es gibt eine Feuchtwiese mit Gänsen, einen kleinen See, Blühwiesen, Insektenhotels und vieles mehr. Wir wollen den Kreislauf abbilden: Die Esel-Köttel sind wichtig für die Käfer und Insekten, die dann wichtig für die Vögel sind und so ergibt das ganze einen Kreislauf. Geplant ist, hier weiter ins Detail zu gehen und beispielsweise ein Gemüsebeet anzulegen. Unsere Angebote können von einzelnen Gruppen gebucht werden. Aber es finden auch größere Firmen- und Familienfeiern bei uns statt. In unserem Schäferstübchen gibt es kleine Veranstaltungen, für große Events richten wir den Schafstall.

Durch Empfehlungen Gäste in der Region halten

Regionale Kooperationen mit Gastronomen und Erzeugern spielen eine große Rolle für uns. Wir beziehen die Speisen und Getränke ausschließlich von regionalen Anbietern. Um die Ecke haben wir ein Odenwald-Gasthaus, das uns alles liefert, was wir brauchen. So lernen unsere Gäste auch die zusammenhängende Nachhaltigkeit kennen. Wir legen Wert darauf, dass wir die Gastronomen, die Geschäfte aus der Region mitnehmen. Viele Gäste fragen uns, wo man hier übernachten kann. Es gibt viele Angebote: Ferienwohnungen, Gasthäuser – so ergibt sich immer eine Win-Win-Situation. Die Gäste kommen nicht nur für eine Wanderung und gehen wieder. Sondern sie kommen in die Region und bleiben ein paar Tage mehr und unternehmen auch etwas. Es gibt in Michelstadt ein großartiges kulturelles Angebot und viele Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten.

 

Besonders beliebt sind die regionalen Produkte von Käsereien, kleinen Molkereien, Brauereien bis zur Fischzucht. Auch wir sind mit unserem Lammfleisch, der Wurst und den Dünge-Pellets bei den Odenwälder Direktvermarktern dabei. Zum Beispiel gehen wir jedes Jahr auf den Odenwälder Bauernmarkt. Da der aber die vergangenen beiden Jahre ausgefallen ist, gab es einen ‚Bauernmarkt Dahoam‘ – das waren viele verschiedene Stationen im Odenwald von den Direktvermarktern, quasi eine Rundroute. Das hat uns sehr gut gefallen, da es sehr viel persönlicher ist, wenn die Menschen in den Betrieb kommen.

Vermarktung als große Herausforderung

Was eine besonders große Herausforderung für uns bei der Umstrukturierung war? Ganz klar die Vermarktung. Wir wussten erstmal gar nicht genau, wie man so ein Konzept vermarktet. Wir wollten keine konventionelle Werbung, sondern etwas Eigenständiges. Da kam mir meine Erfahrung als Verkaufsleiter im Autohaus – meinem Hauptjob – zugute. Wir haben eine Website und sind in Social Media aktiv, also bei Instagram und Facebook.

Dort haben wir eine Reichweite, die bis nach Speyer, Frankfurt, Heidelberg reicht. Die nutzen wir natürlich, um gleichzeitig auf die Nachhaltigkeit und auf die Natur, auf die Tiere und auf die Vermarktung, auf unsere eigenen Produkte aufmerksam zu machen. Wir sind auch beim Odenwald Tourismus auf der Homepage sowie auf der Seite vom Hessischen Schafzuchtverband. Sein Angebot sollte man breit streuen.

Tipps des Hessen-Pioniers Bernd Keller:

  • Regionale Kooperationen mit Gastronomen und Erzeugern spielen eine große Rolle.
  • Künftigen Pionierinnen und Pionieren rate ich: Habt Mut, Neues zu wagen.
  • Lasst euch nicht entmutigen, wenn es mal nicht so gut läuft.
 
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